Wissenschaftsstandort Dahlem (Teil 2)
Schön, dass Sie auch beim zweiten Teil des Herbstspaziergangs dabei sind:
Wir laufen nun Richtung U-Bahnhof Thielplatz und sehen links in der Brümmerstraße 74 die ehemalige Dienstvilla des Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) aus dem Jahr 1926 (Architekt: Ernst Sattler), die der Theologe und Kirchenhistoriker Adolf von Harnack bis 1930 bewohnte. Als Präsident (1911 – 1930) und Vertrauter des Kaisers schlug er – zur Erneuerung der Wissenschaftsorganisation in der Grundlagenforschung – die Gründung der KWG (1911) vor, um Deutschlands Weltgeltung in der Konkurrenz der Großstaaten zu sichern. Damit ist sein Wirken mit der Bedeutung Wilhelm von Humboldts und der Gründung der Berliner Universität 1809 vergleichbar. Sein Nachfolger war der Nobelpreisträger Max Planck von 1930-1936 und noch einmal von 1945-1946 (in Göttingen). Harnacks Sohn Ernst wurde wegen der Beteiligung am Attentat vom 20. Juli 1944 hingerichtet, ebenso sein Neffe Arvid Harnack.
Gehen wir die Brümmerstraße links weiter, erreichen wir an der Ecke Ihne Straße (nach dem bereits erwähnten Hofarchitekten benannt) das „Harnack Haus“ der Max-Planck-Gesellschaft, das 1926 als Vortrags- und wissenschaftliches Begegnungszentrum eröffnet wurde . Entgegen einem Verbot der NS-Regierung wurde hier am 29. Januar 1935 von Max Planck eine Trauerfeier für den genau ein Jahr zuvor verstorbenen Fritz Haber abgehalten, Hauptredner war Otto Hahn. Das Regime revanchierte sich und entzog der KWG das Gebäude und eröffnete bereits im Februar 1935 hier das Reichsfilmarchiv. Nach dem Krieg war hier der US- Offiziersklub „Harnack House“ und seit Mauerfall und Abzug der Alleierten gehört das Haus der Max-Planck-Gesellschaft.
Nun weiter entlang der Ihne- Straße bis zur Nummer 22. Hier befand sich das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (heute beherbergt es den Fachbereich Politische Wissenschaft des Otto-Suhr-Institut der Freien Universität). Geleitet wurde es von Prof. Eugen Fischer (eugenischer Theoretiker des „unwerten“ Lebens) und seit 1942 von Prof. Otmar Freiherr von Verschuer (1896-1969). Dessen Assistent Dr. Josef Mengele war zu dieser Zeit in Ausschwitz als Lagerarzt tätig. Beide Institutsleiter waren intensiv in die „rassenhygienische Beratung“ des NS-Staates und sogar in Beratungen zur „Endlösung der Judenfrage“ eingebunden. Nach dem Krieg konnten sowohl Fischer als auch von Verschuer ihre Karriere in Westdeutschland fortsetzen. Bei der sehr verspäteten Aufarbeitung (erst ab 1998) der Geschichte der KWG als Vorläufer der Max-Planck-Gesellschaft wurden entsetzliche Menschen- Versuche bekannt, die das Institut in Auftrag gab. So untersuchte eine Mitarbeiterin des Instituts 1943 acht „Zigeunerkinder“, die als Zwillinge Besonderheiten der Irisfarbe aufwiesen. Später wurden von Josef Mengele aus Ausschwitz die sechzehn präparierten Augäpfel an das Institut geschickt.
Nun gehen wir an der Kreuzung Ihne-/Garystraße links zum Henry Ford-Bau der Freien Universität, der wie die angrenzende Bibliothek von 1952 bis 1954 durch die Berliner Architekten Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet wurde. Die Baukosten wurden von der Henry-Ford Stiftung übernommen. 1963 erhielt J.F. Kennedy hier die Ehrendoktorwürde. Ab 1966 war der Bau Schauplatz der Studentenproteste, auch Rudi Dutschke sprach hier.
Auf der gegenüberliegenden Seite, Garystraße 30, befindet sich das Otto –Warburg Haus. 1930 nach dem Vorbild eines märkischen Herrenhauses in Groß Kreutz als KW- Institut für Zellphysiologie errichtet, ist es heute Sitz des 1975 gegründeten Archivs der Max-Planck-Gesellschaft. Auch die Akten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sowie zahlreiche Nachlässe herausragender Wissenschaftler befinden sich hier. Otto Warburg (1883-1970) war der Gründer – und bis 1967 Direktor des Instituts. Im Jahr 1931 erhielt er den Nobelpreis für die Entdeckung der Natur und Funktion des Atmungsferments Cytochromoxidase in der mitochondrialen Atmungskette. Vor dem Haus steht das Denkmal des Chemikers und Universitätsprofessors Emil Fischer, des Nobelpreisträgers von 1902.
In der Direktorenvilla Garystraße 18 wohnte bis zu seinem Tod Otto Warburg mit Jacob Heiss, seinem persönlichen Sekretär in einer Partnerschaft. Beide sind auf dem Dahlemer Friedhof beigesetzt.
Nun befinden wir uns wieder gegenüber des ehemaligen Kaiserlichen-/Reichs-und Bundesgesundheitsamtes in der Thielallee und können den Heimweg antreten.
Kommen Sie gut nach Hause und bis zum nächsten Mal
Ihr mw
Fotos (c) mw
Lieber mw
legen Sie bei Ihren Spaziergängen, zu denen Sie uns liebenswürdigerweise mitnehmen, nie eine Pause ein? Zum Ausruhen, aufwärmen, Energietanken? Wenn Sie das tun – ich täte es gern -, dann sollten Sie verraten, wo Sie das auf Ihren Wegen finden. Wenn man älter (!) ist (was Sie vermutlich nicht sind), ist man nicht mehr so gut zu Fuße. Eile mit Weile!?
B.
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