Alchemie – die Suche nach dem Weltgeheimnis: Bericht aus Halle
Hier nun der angekündigte Bericht vom Besuch der parallel zu Berliner Alchemie-Ausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle gezeigten Ausstellung zum gleichen Thema https://berlinab50.com/2017/04/30/alchemie-die-suche-nach-dem-weltgeheimnis/. Um es gleich vorweg zu sagen: die Hallenser Ausstellungsmacher haben den Vergleich gewonnen!
Warum fasziniert uns heute noch die Alchemie? Sind es nur der legendäre Stein des Weisen und die Goldmacher-Geschichten? Oder die Überlieferungen des Dr. Faust und seiner Suche nach dem „was die Welt im Innersten zusammenhält“? (Faust, 1.Teil, Nacht). Die Ausstellung versucht, darauf eine Antwort zu geben.
Der Ausstellungsraum im Atrium des Museums ist taghell, logisch strukturiert und die Exponate sind gut lesbar beschriftet. Im Mittelpunkt steht natürlich der 2012 am Wittenberger Franziskanerkloster gehobene Schatz aus einer Abfallgrube des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts: Ton- und Glasscherben mit Anhaftungen von Chemikalien. Wie sich bald herausstellte, waren es nicht gewöhnliche Scherben, sondern Überreste eines alchemistischen Laboratoriums. Das vermutlich vom sächsischen Hof betriebene Laboratorium stellte in großem Umfang Arzneimittel aus hochgiftigen chemischen Elementen wie Quecksilber und Antimon her. Der Chemiker, Philosoph und Arzt Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim, der sich Paracelsus nannte, hatte erst ca. 1530 Quecksilberverbindungen für die Bekämpfung der Syphilis als neues Therapieprinzip (Chemiatrie) eingeführt. Bis zur Erfindung der Antibiotika im 20. Jahrhundert, waren sie das einzig wirksame – wenn auch mit erheblichen, teils tödlichen Nebenwirkungen behaftete – Arzneimittel gegen Syphilis.
Da keine materielle Hinweise auf metallurgische Arbeiten in Form von Anhaftungen oder Mineralien im Fund von Wittenberg gefunden wurden, wird davon ausgegangen, dass hier keine „Goldmacher“ tätig waren, sondern Heilmittel hergestellt wurden. Antimon wurde von Paracelsus in seinem Werk „Große Wundarznei“ (1536) auch für innerliche Zwecke empfohlen. Er postulierte, dass der menschliche Körper durch Antimon gereinigt und verjüngt werde. Interessant ist, dass beide Elemente und ihre Verbindungen im Rezeptbuch der Kurfürstin Anna von Sachsen (1532-1585) enthalten sind. Überliefert ist, dass die Fürstin wie auch ihr Mann Kurfürst August I. von Sachsen seit 1577 eigene alchemistische Laboratorien in einem Schloss in der Nähe von Wittenberg unterhielten. Während Anna sich der Herstellung von Arzneien widmete, war ihr Mann auf der Suche nach dem „Stein des Weisen“, dem zugeschreiben wurde, unedle in edle Metalle (Gold) verwandeln zu können. Nötig hätte er den Stein nicht gehabt, den er war einer der wenigen europäischen Fürsten, denen es im 16. Jahrhundert gelang, einen umfangreichen Staatsschatz anzulegen.
Die Ausstellung zeigt – wie die Berliner Ausstellung – kostbare Manuskripte und Drucke, geht aber einen anderen Weg der Präsentation: So wurde z.B. die einzelnen Bilder fotografiert und dann von einer Berliner Firma im Sinne eines „Daumenkinos“ großformatig animiert, so dass die einzelnen sehr farbenfrohen und philosophisch-allegorisch überhöhten Schritte zum Stein des Weisen auch für den Zuschauer von heute erlebbar werden. Da verwandelt sich Flüssigkeit, steigen Vögel auf, verwandeln sich erneut, kondensieren zu Nebel usw.! Die Abbildungen von Retorten, Tiegel, Alembiks und wundersamen Öfen sind zwar vielfältig überliefert, hier aber sind den Abbildungen die Realien gegenübergestellt. Auch haben die Hallenser Wissenschaftler einzelne Verbindungen des chemiatrischen Zeitalters „nachgekocht“ und konnten mit moderner Analytik nachweisen, woraus die anhaftenden Chemikalienreste bestanden. Und all dies wird dem Zuschauer anschaulich präsentiert.
Die weitere Entwicklung der Alchemie wird an Hand einzelner Entdeckungen wie des Goldrubinglases und der Porzellan-Nacherfindung durch den Apothekergehilfen Böttger beschrieben. Und schon wird der Aufbruch in die moderne Chemie im 18. Jahrhundert am Beispiel von Dalton´s und Lavosier´s Werk logisch aufgebaut. Die Alchemie konnte die auf sie gesetzten Hoffnungen natürlich nie einlösen, hat aber durch ihre experimentellen Arbeiten die Entwicklung von Chemie und Pharmazie sehr gefördert, wobei der Übergang von Alchemie zu Chemie, von Hokuspokus zur Wissenschaft fließend war. Wie falsch es ist, bei Alchemie nur an Schwarze Magie zu denken, rückt die Ausstellung zurecht.
Weiter geht es dann über die Entdeckung von Atomzerfall und Atomspaltung, einschließlich Atombombe hin zum Einblick des modernen CMS-Detektors im Teilchenbeschleuniger der CERN in Genf. Hier versuchen Wissenschaftler die kleinsten Teilchen jenseits der Atome zu finden.
Die großartige Ausstellung kann noch bis zum 5. Juni 2017 besichtigt werden. Der hervorragend gestaltete kleine Katalog kostet 11 €.
Ein weiter Grund, das Landesmuseum für Vorgeschichte zu besuchen, ist die seit 2008 in der Dauerausstellung gezeigte 3600 Jahre alte Himmelsscheibe von Nebra. Auch das Museumsgebäude, das 1918 als erstes Museumsgebäudes für Vorgeschichte in Deutschland eröffnet wurde, ist eine Reise wert. Architekt war Wilhelm Kreis (1873-1955), der auch das Hygienemuseum Dresden entwarf. Sein Bau orientierte sich an der Porta Nigra in Trier, was deutlich zu sehen ist. In der Dauerausstellung werden seltene Exponate aus Mitteldeutschland zum Paläolithikum, Mesolithikum, Neolithikum und zur Frühbronzezeit gezeigt.
Also, auf nach Halle – es lohnt sich
Meint mw
PS: da Fotografieren nicht gestattet war, kann man sich einen Einblick in die Ausstellung über die Mittedeutsche Zeitung verschaffen:http://www.mz-web.de/kultur/landesmuseum-halle-archaeologische-sensation-aus-wittenberg-zu-sehen-25165036
und natürlich über die Website des Museums selbst: http://www.lda-lsa.de/landesmuseum_fuer_vorgeschichte/sonderausstellungen/