Begräbniskultur in Deutschland – Barock
Ausgangspunkt der kleinen Reise durch die Begräbniskultur ist das 17.Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurde im deutschsprachigen Raum damit begonnen, Gräber wohlhabender Bürger auf geweihten Friedhöfen auch namentlich zu kennzeichnen. Erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die namentliche Bezeichnung der Gräber allgemein üblich, wobei es für die Armen auch weiterhin anonyme Massenbegräbnisse gab. Man denke dabei an Mozarts Grablegung! Auch in Kriegs und Krisenzeiten gab es solche anonymen Bestattungen, nicht nur für die Armen. Ein schönes Beispiel für einen heute noch genutzten Bürgerfriedhof ist der bereits im 11.Jahrhundert angelegte und in seiner heutigen Form aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stammende Johannisfriedhof der Freien Reichsstadt Nürnberg, auf dem viele berühmte Künstler und Gelehrte wie z.B. Dürer beigesetzt sind. Auch der barocke „Gesandtenfriedhof “ als letzte Ruhestätte für Gesandte des Reichstags in Regensburger ist erhalten und unbedingt sehenswert. Im feierwütigen Barock war selbst der „Gottesacker“ ei
n Ort, an dem Eitelkeit, Pathos und morbide Schönheit von den Wohlhabenden ausgelebt wurden. Die mit Schönheit und Verfall verbundene und als „Vanitas“ bezeichnete Vergänglichkeit war ein bedeutendes Motiv in Kunst, Musik und Literatur und damit auch bei der Gestaltung von Grabmalen. In Zeiten der Pest, der allgemeinen Unsicherheit durch Krieg und Willkür war es ganz normal, am Morgen jeden Tages mit seinem Ableben, unabhängig vom Alter, zu rechnen. Die offene unbekümmerte Darstellung des Todes, von Schädeln und Gebeinen auf den Gräbern korrespondierte mit der sprichwörtlichen Lebenslust des Barock, die dem ungewissen Zeitpunkt des Todes, der Vergänglichkeit trotzen wollte. Prunkvolle figürliche Grabmale, die den Toten darstellten oder Allegorien auf die Vergänglichkeit abbildeten, waren die Höhepunkte der Grabmalkunst. Leichenpredigten dauerten Stunden und wurden beim Leichenschmaus von großen und ausgiebigen Mahlzeiten und Gelagen begleitet. Um 1800 verbanden sich dann Grabmalkultur mit Gartenkunst und die Friedhöfe wurden grüne Oasen. Galt im Barock das eigene Grabmal als Privileg von Klerus, Adel und sozialer bürgerlicher Oberschicht (Ärzte, Künstler, Gelehrte, Kaufleute), so kamen mit Beginn des 19. Jahrhunderts durch das sich entwickelnde Bür
gertum neue Grabformen und Materialien auf. Im Zuge der Industrialisierung wurden standardisierte Typengrabmale als namentlich gekennzeichnetes Einzelgrab für den Bürger erschwinglich. Antikenbegeisterung, Neogotik und Neorenaissance sowie Rückgriffe auf andere vergangene Kulturperioden schufen eine vielfältige bürgerliche Denkmalkultur, die das 19. Jahrhundert als Höhepunkt der Friedhofskultur erscheinen lässt.
Nach Ansicht des bedeutenden deutsch-amerikanischen Kunsthistoriker Erwin Panofsky (1892-1968), einem Mitbegründer der Ikonologie, endet jedoch mit dem Barock die Grabkunst. Warum das so gesehen werden kann, werden die nächsten Folgen zeigen.
Meint mw
Fotos (c) mw
Hochinteressant! Ich nehme an, dass das oberste Foto auf dem Johannisfriedhof von Nürnberg gemacht wurde? Wenn dem so ist, müsste man diesen Frieidhof unbedingt aufsuchen! I,A.
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Liebe(r) I.A. –
ja, Sie haben Recht. Es zeigt den Johannisfriedhof in Nürnberg. Das vordere Grab ist das von Albrecht Dürer. Wenn Sie einmal in Franken sind, der Friedhof allein ist eine Reise nach Nürnberg wert.
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