Die Haltestelle „meiner“ Buslinie M29 liegt an diesem Platz und die Ansage machte mich neugierig. Wer war Joseph Joachim?
Der unscheinbare Platz zwischen Hubertusbader Straße und Hubertusallee im Grunewald wurde 1967 in einer Art Wiedergutmachung nach dem Geiger und Komponisten Joseph Joachim (28.06.1831 – 15.08.1907) benannt. Wieso Wiedergutmachung?
Der 1831 in Österreich-Ungarn geborene Joseph Joachim entstammte einer jüdischen Familie und wurde früh von Felix Mendelssohn Bartholdy als musikalisches Wunderkind entdeckt. Nach seiner Ausbildung zum Geiger am Leipziger Konservatorium spielte er Liszt vor und wurde von ihm zum Komponieren ermutigt. 1855 konvertierte er zum evangelischen Glauben. Joseph Joachim war einer der bedeutendsten Violinlehrer und Geiger in Europa der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1869 berief König Wilhelm I. von Preußen den schon berühmten Violin-Virtuosen und Kapellmeister zum Gründungsrektor der „Königlich Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst“, der späteren Musikhochschule Berlin. Die Hochschule war die erste staatliche Ausbildungsstätte für Musiker in Preußen. Im zweiten deutschen Kaiserreich war Joseph Joachim einer der bedeutendsten und einflussreichsten Musiker. Das von ihm gegründete und nach ihm benannte Joachim-Quartett war stilbildend in der klassischen konzertanten Musik. Bei den Konzerten des Quartetts trafen sich die die Honoratioren der Berliner Gesellschaft, des Militärs wie Helmuth von Moltke und Künstler wie Adolph Menzel.
1907 starb Joseph Joachim im Alter von 76 Jahren in Berlin. Bereits 1909 wurde die im Ortsteil Grunewald gelegene Auerbachstraße in Joseph-Joachim-Straße umbenannt. Im 3. Reich wurde versucht, jegliche Erinnerung an den jüdischen Musiker zu tilgen. 1939 wurde die Straße in Oberhaardter Weg umbenannt – und so heißt sie noch heute. Im Sinne einer Wiedergutmachung wurde 1967 ein bis dahin namensloser Platz in Joseph-Joachim-Platz benannt.
Eine weitere posthume Ehrungen im Kaiserreich war die 1911 in der großen Halle der Hochschule für Musik in der Fasanenstraße aufgestellte Büste, die Adolf von Hildebrand bereits 1899, also noch zu Lebzeiten von Joseph Joachim modellierte hatte. Sie wurde 1936 ebenfalls entfernt und zerstört. Es dauerte bis 1981, seinem 150. Geburtstag, dass im Foyer der Hochschule für Musik ein Zweitguss der Büste aufgestellt und eine Messingtafel mit den Lebensdaten Joachims enthüllt wurde. Auch trägt heute der große Konzertsaal in der Universität der Künste im alten Joachimstaler Gymnasium in der Spichernstraße seinen Namen.
Seit 2011 gibt es ein neues „Joseph-Joachim-Quartett Berlin“ mit vier Musikern, die Preisträger großer internationaler Wettbewerbe und Professoren an der Universität der Künste Berlin sind.
Und im Mai dieses Jahres feierte die Fakultät Musik der UdK Berlin ihre Gründung 1869 und ihren Gründer Joseph Joachim mit 28 Konzerten. Eine Veranstaltung verband die Hommage an Joseph Joachim mit einer Debatte über Richard Wagners antisemitische Schriften.
Schön, dass der große Musiker und Pädagoge wieder im kulturellen Bewusstsein Berlins präsent ist.
PS: Wie WIKIPEDIA vermeldet, ist die Schauspielerin Katharina Thalbach (eigentlich Katharina Joachim) mit ihm verwandt. Der Geiger war ein Cousin ihres Urgroßvaters, der Sänger an der Münchner Oper war.