Bei einer Radtour von Berlin zur Oder auf dem Europaradweg R1 passierten wir zwischen Erkner und Buckow die Gemeinde Rehfelde (bei Strausberg). Ein Wegweiser machte uns auf eine besondere Sehenswürdigkeit aufmerksam: die 1784 erschaffene Feldsteinpyramide, die als Mausoleum für den einstigen Besitzer des Gutes Garzau, dem Grafen Friedrich Wilhelm Karl von Schmettau noch zu seinen Lebzeiten angelegt wurde.
Der Graf, durch seine militärischen Erfolge in den Kriegen Friedrich II. zu Ruhm gelangt, war außerdem ein begnadeter Topograph, der ohne öffentlichen Auftrag systematisch das Staatsgebiet Preußens östlich der Weser sowie Mecklenburgs vermaß und zeichnete und dessen Kartenwerk großen Erfolg in Preußen hatte. Die 270 Blätter in den Abmessungen 97 cm x 64 cm im Maßstab 1:50.000 befinden sich heute in der Staatsbibliothek. Sein Erfolg verschaffte ihm viele Neider und so wurde er unter drei Königen – Friedrich II, Friedrich Wilhelm II und Friedrich Wilhelm III. – eingestellt, befördert und nach Intrigen jeweils wieder gefeuert.* Wirklich spannend, aber zurück zur Pyramide.
Schmettau verkaufte 1802 Herrenhaus und Park Garzau und zog ins Schloss Köpenick, das er von den Hohenzollern erworben hatte. Die Pyramide wurde in den folgenden Jahren zum Teil abgeräumt, das Eingangstor der Marienkirche in Strausberg geschenkt, wo es noch heute steht. Schmettau starb 1806 als General der preußischen Truppen in den napoleonischen Befreiungskriegen in der Schlacht bei Auerstedt und ist in Weimar begraben.
Ab 2001 bemühte sich eine rührige Bürgerinitiative um den Wiederaufbau der Feldsteinpyramide, die seit Fertigstellung 2010 als größte Feldsteinpyramide Deutschlands gilt und die über begehbare Innenräume verfügt. Die Pyramide ist 14 m hoch und hat einen quadratischen Grundriss. Das an einen griechischen Tempel erinnernde Portal ist eine Kopie des Strausberger Originals, dessen Entwurf immerhin Gottfried Carl Langhans zugeschrieben wird. Vor der Pyramide finden im Sommer Konzerte und Lesungen statt, so am 31.08.2019 14:30 eine Lesung „Grabstätten in Parkanlagen und die Garzauer Pyramide“ und ab 16:00 Uhr ein Swing Konzert mit Baritonsaxophon und Posaune. http://www.pyramide.garzau.de/ausblick-2019.html
Auf der Fahrt zur Pyramide passierten wir ein Schloss in einem großen, eingezäunten und verwilderten Park, das in einem Dornröschen-Schlaf zu liegen schien.
Wir waren neugierig, aber es gab keine Hinweise, ob es sich hierbei um das Garzauer Schloss handelt oder wer das renoviert anmutende Anwesen heute nutzt. Zu Hause machten wir uns kundig: Das Gebäude wurde 1911 durch den Berliner Architekten Hermann Dernburg (Hauptwerke Berliner Sportpalast Potsdamer Straße, Landgericht Tegeler Weg) im Auftrag der damaligen Besitzerfamilie des Generalmajors Paul von Rohrscheidt für das zuvor abgebrannte Garzer Herrenhaus errichtet. 1945 im Zuge der Bodenreform enteignet, wurden Schloss und Park zuletzt von 1979 bis 1990 als Schulungs- und Ferienheim des Ost-Berliner Magistrats genutzt. Das Schloss soll über prächtige Hallen, Holzvertäfelungen, Säulen, Wandfriese und eine Kuppeldecke verfügen und wurde zuletzt 2009 saniert. Der Eigentümer bietet es schon seit Jahren zum Verkauf an. Da es unter Denkmalschutz steht, ist eine Nutzung – z.B. als Luxus-Hotel – schwierig.
Doch es gibt – wie so oft an landschaftlich schönen Orten- auch Furchtbares zu berichten: Dank der Recherchen des Historiker- Ehepaares Schwarz aus dem nahegelegenen Rehfelde wurde 2017 erstmals in der Öffentlichkeit bekannt, dass sich hier zwischen 1939 und 1943 ein Arbeitslager befand, wo Jüdinnen und Juden Zwangsarbeit für die Kriegswirtschaft auf dem Rohrscheidt´schen Gut Garzau leisten mussten. Die Historiker rekonstruierten die Biografien der ehemaligen Insassen, von denen keiner den Holocaust überlebte ( „Das Rittergut Garzau und jüdische Zwangsarbeiter“, Hentrich und Hentrich Verlag Berlin, 1. August 2017 ). Vor zwei Monaten wurden Erika Schwarz und Gerhard Schwarz für ihren Einsatz bei der wissenschaftlichen Erforschung der Regionalgeschichte mit der Medaille des Landtages Brandenburg zur Anerkennung von Verdiensten für das Gemeinwesen ausgezeichnet. Berlin ab 50 gratuliert!
Wieder ein Beispiel, wie durch Zufall Orte dem neugierigen Wanderer ihre Geschichte erzählen
Meint mw
* Möglicherweise – es scheinen allerdings nur Gerüchte zu sein – ist eben jener Graf von Schmettau der leibliche Vater des schönen Preußenprinzen Louis Ferdinand. Schmettau war der Hofmeister von Anna Elisabeth Luise von Brandenburg-Schwedt, einer Schwester Friedrich II und Mutter des „preußischen Apolls“. Vielleicht erfahren Sie mehr dazu in der Ausstellung „Der preußische Apoll.Prinz Louis Ferdinand 1772-1806“, die noch bis zum 6.10. 2019 in Schloss Köpenick zu sehen ist.https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/der-preussische-apoll.html